75 Jahre Herforder Zupforchester
Neue Westfälische Nr. 149, 1.7.03
Konzertante Zupfkunst
Gehaltvolles Festkonzert zum 75-jährigen Bestehen des Herforder Zupforchesters
Herford(bra)
Das Zupforchester geht inspiriert in die nächsten 75 Jahre. Bestätigungen kommen von den Rednern, die das Ensemble auf dem Festakt im Foyer des Stadttheaters würdigten. Vor allem aber kamen Anregungen vom Landeszupforchester, das zum ersten Mal in Herford spielt. Ihr Auftritt war auch eine Anerkennung der Herforder Zupfkultur.
Die tausend Plektron-Töne verschmolzen zu einen Klang. Die Farben, die Gestaltung wechselten mit den Kompositionen, sei es die hochbarocke Spielmusik von Henry Purcells „Sommernachtstraum“ oder die „Zeitbilder" des Zeitgenossen Fritz Pilsl. Die Gegentakte und Disharmonien setzten den Kontrast zum nachbarocken Stil eines Franz Xaver Richter.
Wer Zupfmusik hört, lernt neue Komponisten kennen, wie Raffaele Mercadente und dessen mitreißende Thematik. In einem Flötenkonzert mit der Solistin Ricarda Schumann verschmolzen die Schärfe der Saiteninstrumente mit dem runden Klang der Flöte.
Leiter des Landeszupforchesters ist Dieter Kreidler. Er fungiert als Dozent, Juror und Bundesmusikleiter des Bundes Deutscher Zupfmusiker. In Herford präsentierte er sich als Dirigent und Komponist. In seinem „Danza da Saudade“ ließ er die Mandolinen flirren und die Gitarren-Töne tropfen. Es klang, als gehe die südliche Sonne auf, doch die chromatischen Bassfiguren machten deutlich: der Tanz ist ein rhythmisch- melancholisches Klanggemälde.
Zu Beginn hatte Kreidlern den Herfordern „viele Jahre mit fröhlicher Zupfmusik“ gewünscht. Die bot das heimische Orchester nach der Pause, zum Beispiel mit einem venezuelanischen Bauerntanz. Angereichert war das Stimmungsbild durch Percussion. Eine klagende und jubilierende Klarinette spielte Wilhelm Gößling-Eckey in der Klezmer-Suite der Musikwissenschaftlerin Elke Tober-Vogt. Die Akkordeonistjn Claudia Iserloh gab dem Gesamtklang sicheren Halt.
Bericht von Ruth Mathes
Henry Purcell und der »Pate« gratulierten
Herford (HK). »Damit ein Orchester Erfolg hat, braucht es drei Dinge: die eigene Motivation der Musiker, Impulse durch Mitspieler und Dirigenten sowie handfeste Unterstützung aus Politik und Gesellschaft.« Die Vorsitzende des Herforder Zupforchesters, Anette Rühl, weiß, wovon sie spricht, denn alles das hat ihr Orchester in 75 Jahren zu einer festen Größe des Kulturlebens gemacht.
Aus Anlass des Jubiläums waren am Sonntag Hunderte von Freunden der Zupfmusik ins Theater gekommen, um bei einem Festakt den Musikern zu gratulieren und anschließend dem Festkonzert zu lauschen. Zur Feier des Tages hatten die Herforder sich ein Gastensemble eingeladen, das Landeszupforchester NRW unter der Leitung des Dekans der Wuppertaler Musikhochschule Prof. Dieter Kreidler.
Das Ensemble begeisterte die Zuhörer mit hervorragender Technik und gelungenen Interpretationen von Originalwerken und Bearbeitungen für Zupforchester. Jedes Tremolo der Mandolinen saß, wie eine Stimme klangen die Gitarren. Das Programm der Gäste reichte von Henry Purcells »Sommernachtsmusik« — gespielt von dem ausgezeichneten Barockensemble des Landesorchesters — über die frühklassischen Werke von Carl Stamitz und Franz Xaver Richter bis zu dem effektvollen, folkloristisch anmutenden »Danza da Saudade«, den Kreidler selbst geschrieben hatte. Viel Applaus erhielt das Orchester auch für sein »Allegro maestoso« aus dem Flötenkonzert e-Moll von Mercadente, dessen Solo-Partie Ricarda Schumann klangschön gestaltete.
»Dass alte Musik sehr frisch klingen kann, haben die Kollegen bewiesen«, erklärte der Herforder Orchesterleiter Stephan Prüßner in der Überleitung zum zweiten Konzertteil, der fest in Herforder Hand war. Die Jubilare wollten nun etwas Frisches spielen und natürlich ebenso frisch interpretieren. Dies gelang ihnen dann mit Unterstützung von Klarinettist Wilhelm Gößling-Eckey, Flötistin Ina Göhring, Claudia Iserloh (Akkordeon) sowie Ralf Hennings und Kai Schmidtmann (Percussion) auch hervorragend. Sie setzten die Akzente in der Folklore und der Film-Musik und kamen damit beim Publikum ebenso gut an wie das Landesorchester mit seinem klassischen Programm. Melodien von Nino Rota aus »Der Pate« und Alan Menkens Song »Colours of the wind« aus »Pocahontas« standen neben einer abwechslungsreichen Klezmer-Suite und einer Uraufführung von Jos Antonio Zambranos »La danza del Tamunan gue«, das auf einem Bauerntanz aus dem Nordwesten Venezuelas basiert. Zur Zugabe vereinigte sich das Hauptorchester dann mit dem Nachwuchsorchester, den »Mandolinis und Gitarreros« zum viel beklatschten Finale.
Die Kinder und Jugendlichen hatten im Vorfeld schon ihren ersten großen Auftritt gehabt, waren sie es doch, die den Festakt im Foyer des Theaters musikalisch gestaltet hatten.
Gerade die Nachwuchsarbeit des Orchesters hob Ulrich Zajusch, Präsident des Bundes Deutscher Zupfmusiker, in seiner Jubiläumsansprache als vorbildlich hervor. Er lobte das große ehren- amtliche Engagement der Musiker in sozialer wie kultureller Hinsicht und wünschte dem Orchester weiterhin einen vollen Terminkalender und großzügige Unterstützer.
Über die wechselvolle Geschichte des Zupforchesters konnten sich die Besucher in einer Ausstellung im Foyer informieren. Das Ensemble ging aus der Arbeiterbewegung hervor und wurde 1933 zwangsweise mit dem Herforder Mandolinen Club zusammengelegt. 1934 traten die Zupfer jedoch aus diesem Verbund aus. 1954 wagten sie einen Neuanfang.
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